Während unserer Work & Travel Reise durch Neuseeland haben wir fünf Wochen auf einer Obstplantage gearbeitet. Als Seasonal Orchard Worker waren wir bei Wai-West Horticulture im Norden der Südinsel angestellt. Auf 200 Hektar baut das Unternehmen Äpfel, Kiwis und Brombeeren an. Neben den etwa 20 Festangestellten arbeiten dort in der Hochsaison bis zu 200 Seasonal Worker auf den Plantagen, und wir waren zwei davon.
Wie wir den Job gefunden haben
Zu Beginn suchten wir in den Online-Stellenangeboten in der Umgebung, stießen jedoch meist nur auf Anzeigen mit einer angegebenen E-Mail-Adresse als Kontaktmöglichkeit, und auch der Unternehmensname blieb oft ungenannt. Trotz unserer eher geringen Erwartungen schickten wir unsere Bewerbungen mit einem kurzen Anschreiben und Lebenslauf an diese Kontakte. Wie schon befürchtet, erhielten wir jedoch keinerlei Rückmeldungen.
Wir hatten aber auch vereinzelt Ausschreibungen gesehen, bei denen der Unternehmensname genannt wurde. Wir entschieden uns, bei diesen direkt persönlich vorbeizufahren. Und direkt bei unserer dritten Anlaufstelle hatten wir Erfolg. Noch vor einer Begrüßung wurden wir direkt gefragt, ob wir auf Jobsuche seien. Nach einem kurzen Gespräch bekamen wir Mitarbeiter-Fragebögen zum Ausfüllen und erhielten bereits eine indirekte Zusage, dass wir in einer Woche beginnen könnten.
Als wir am nächsten Tag erneut vor Ort waren, um die ausgefüllten Fragebögen abzugeben und die Verträge zu unterschreiben, wurden wir gefragt, ob wir nicht gleich am nächsten Tag beginnen könnten, da dringend zwei zusätzliche Arbeitskräfte benötigt wurden. So schnell und einfach kann es manchmal gehen.
Unsere Arbeit – das Apple Thinning
Was ist eigentlich Apple Thinning
Unsere Aufgabe auf der Plantage war das sogenannte Apple Thinning, übersetzt also Apfel ausdünnen. Diese Arbeit wird im Frühjahr ausgeführt, wenn die Äpfel zu wachsen beginnen. Ein Teil dieser kleinen Äpfel wird händisch abgepflückt, sodass eine bestimmte Menge an Äpfeln am Baum gelassen wird. Ziel hierbei ist es, den verbliebenen Äpfeln mehr Platz zu geben, sodass sie besser und größer wachsen können. Zugleich ermöglicht es dem Baum, seine Energie in die verbleibenden Früchte zu stecken. Darüber hinaus kann es vorkommen, dass die Äpfel an den Baumkronen zu schwer werden und es dadurch zum Abbrechen von Ästen kommen kann, was ebenfalls durch das Apple Thinning verhindert werden soll.
Unser Arbeitstag
Auf der Apfelplantage erstrecken sich verschiedene Blöcke mit unterschiedlichen Apfelsorten, wobei die Bäume stets in langen Reihen angeordnet sind. Jede Person hatte daher ihre eigene Reihe, in der sie gearbeitet hat.
Da die Bäume zu hoch waren, um alle Äste zu erreichen, mussten wir teilweise von einer Leiter aus arbeiten. In der Regel sind wir so vorgegangen, dass wir zunächst einen längeren Abschnitt auf der Leiter gearbeitet haben und nur die obere Hälfte mehrerer Bäume ausgedünnt haben. Anschließend konzentrierten wir uns dann auf den unteren Teil.
Je nach Apfelsorte ließen sich die Äpfel unterschiedlich gut entfernen. Und auch die Regeln des Thinnings variierten. In den meisten Fällen mussten pro Bündel zwei Äpfel verbleiben, bei einer anderen Sorte waren es drei. Bei wiederum einer anderen Sorte hing es von der Größe der Äpfel ab, wie viele davon stehen bleiben sollten.
Die Geschwindigkeit und der Contract
Das Prinzip des Contracts
Auf Obstplantagen und in Fruitpicking-Jobs ist es üblich, dass man nicht nach Stunden, sondern nach Leistung bezahlt wird. Das kann pro Eimer, pro Kilo oder, im Falle des Apple Thinnings, pro Baum gemessen werden.
Auf der Apfelplantage wurde den unterschiedlichen Bäumen ein spezifischer Wert zugeordnet, der zwischen 1,70$ und 2,40$ variierte. Dadurch bekommt man die Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen als nur einen festen Stundenlohn. Besonders erfahrene und schnelle Arbeiter haben die Chance, in kürzerer Zeit ein attraktives Einkommen zu erzielen. Sollte jedoch jemand die vorgeschriebene Mindestanzahl an Bäumen pro Tag nicht erreichen und somit unter dem Mindestlohn liegen, wird das Gehalt entsprechend aufgestockt.
Unsere Erfahrungen mit dem Contract
Bereits nach ein paar Arbeitstagen wurde der gesamten Gruppe, die zum Teil schon etwas länger da war, gesagt, dass wir schneller werden müssten. In dem Block, in dem wir zu dieser Zeit arbeiteten, war die grobe Zielvorgabe, alle 30 Minuten 5 Bäume zu schaffen – was etwa 75-80 Bäumen pro Tag entsprach. Zu diesem Zeitpunkt benötigten wir jedoch noch über 40 Minuten für 5 Bäume, was lediglich 50-60 Bäume pro Tag bedeutete. Dafür wurden wir aber mehrmals gelobt, dass wir besonders ordentlich und gründlich arbeiten würden und so gut wie keine Äpfel übersehen würden.
Insbesondere in den ersten beiden Wochen wurde verstärkt Druck auf uns ausgeübt. Es wurde betont, wie wichtig es sei, schnell zu arbeiten und eine festgelegte Anzahl von Bäumen täglich zu schaffen. Es wurden Tagesziele genannt, die für uns zu diesem Zeitpunkt unmöglich zu erreichen waren. Dadurch war die Arbeit vor allem mental anstrengend, da wir immer unter diesem Zeitdruck standen und teilweise das Gefühl hatten, den Anforderungen nicht gerecht zu werden.
Im Laufe der Zeit wurden wir jedoch etwas schneller, und der Druck nahm ab. An zwei Tagen schaffte ich es sogar, mehr Bäume zu “thinnen” als gefordert. Obwohl die Supervisorin einerseits Druck ausübte, zeigte sie andererseits auch Unterstützung. Sie lobte uns immer wieder für unsere gute Arbeit und glaubte an uns, dass wir es auch schaffen können, die Tagesziele zu erreichen.
Arbeitszeit und Verdienst
Unser Arbeitstag begann um 7:30 Uhr und endete um 16:00 Uhr. In diesem Zeitrahmen hatten wir eine unbezahlte Mittagspause von 12:30 Uhr bis 13:00 Uhr, sowie bezahlte Pausen von jeweils 15 Minuten um 10:00 Uhr und um 15:00 Uhr.
Die regulären Arbeitstage waren von Montag bis Freitag. Es bestand auch die Möglichkeit, Samstagvormittag zu arbeiten, sofern genug Leute dazu bereit waren. Dies war während unserer Zeit dort jedoch nur zwei Mal der Fall. An zwei Tagen konnten wir aufgrund starker Regenfälle weniger oder gar nicht arbeiten.
Der Stundenlohn betrug 22,70$ (etwa 12,97€) und entsprach daher dem Mindestlohn. Nach der ersten Woche wechselten wir jedoch auf ein sogenanntes „Contract“-Modell, bei dem wir nicht mehr pro Stunde, sondern pro Baum vergütet wurden. Leider waren wir dafür nicht schnell genug, weshalb unser Gehalt aufgestockt werden musste, um den erforderlichen Mindestlohn zu garantieren.
Insgesamt haben wir 23 volle Tage und drei halbe Tage gearbeitet und in dieser Zeit pro Person 4024,95$, also 2298,89€ verdient.
Unser Fazit zur Arbeit auf der Apfelplantage
Für mich war die Zeit auf der Apfelplantage eine einzige Achterbahn der Gefühle. An den ersten Tagen war ich noch ziemlich gut gestimmt und sogar positiv überrascht. Unsere Supervisorin war super nett und zu Beginn sagte sie, dass die Geschwindigkeit nicht so wichtig sei, solange wir gründlich arbeiteten.
Als es dann aber relativ schnell doch wichtig wurde, wie viele Bäume wir am Tag schafften, wurde auch ein entsprechender Druck auf uns ausgeübt. Trotzdem wurden wir mit der Zeit etwas schneller und auch der Druck war nicht mehr so stark. Daher konnte ich mich während der Arbeit auch wieder mehr entspannen und es ließ sich gut aushalten.
Natürlich ist die Arbeit insgesamt sehr stumpf und die einzige Abwechslung besteht darin, zu einem Block mit einer anderen Apfelsorte zu wechseln. Für einige Wochen ließ es sich gut aushalten. Gegen Ende, als wir bereits schneller und routinierter waren, machte die Arbeit mit einem guten Podcast sogar fast Spaß.